Montag, 7. März 2016

Wie das Licht von einem erloschenen Stern - Nicole Boyle Rødtnes

Rezension zu
"Wie das Licht von einem erloschenen Stern"
von Nicole Boyle
Rødtnes

Gebundene Ausgabe: 243 Seiten
Beltz & Gelberg (7. März 2016)
ISBN-13: 978-3407821041
Originaltitel: Hul i hovedet

 

Worum geht's?


 Damals dachte ich, ich könnte wieder ganz normal werden. Ich begriff nicht, dass sie mit "wieder lernen" meinten, dass ich wieder funktionieren könnte. Nicht, dass alles so werden würde, wie es vor dem Unfall war. Denn nichts wird wieder wie früher, wenn man ein Loch im Gehirn hat. (S. 81 f.)
Ein schlimmer Unfall auf einer Stufenparty reißt Vega aus ihrem gewohnten Leben, kurz vor der Abschlussfahrt und den Vorbereitungen aufs Abitur.
Die 17-Jährige kann wiederbelebt werden, leidet aber an Aphasie, einer durch eine Hirnverletzung ausgelösten Sprachstörung. Sie kann nicht zurück zur Schule, isoliert sich mehr und mehr. Beim Sprachtraining lassen ihre Fortschritte zu wünschen übrig. Selbst das Verhältnis zu ihrem Freund Johan und ihrer besten Freundin Ida verändert sich durch Vegas Krankheit stark.
Als sie Theo kennenlernt, der dasselbe Schicksal mit ihr teilt,  beginnt Vega, sich mit ihm gemeinsam ins Leben zurückzukämpfen.

Was mich neugierig gemacht hat:


Vor Kurzem habe ich mein erstes Buch von der Autorin gelesen, den ersten Band der "Töchter der Elfe"-Reihe. Der zweite steht auch schon in meinem Regal und wird als Nächstes verschlungen.
Als sich bei Blogg dein Buch die Möglichkeit ergab, sich für das neue Werk von Nicole Boyle Rødtnes zu bewerben, habe ich gleich mein Glück versucht. Mir war das Buch schon vor einer Weile in der Vorschau aufgefallen und ich war neugierig, wie wohl ein realistisches Jugendbuch der Autorin sein würde.

Wie es mir gefallen hat:


"Wie das Licht von einem erloschenen Stern" ist in jedem Fall schon vom Titel her ein Buch, das auffällt. Zusammen mit dem Cover hätte ich hier ohne Klappentext vielleicht sogar eher Fantasy erwartet. Super finde ich, dass das Covermotiv direkt auf den Einband gedruckt ist und das Buch keinen Schutzumschlag hat.
Vor dem Lesen habe ich mich gefragt, was wohl der Bezug zum Titel sein wird. Jetzt, wo ich die Geschichte kenne, kann ich nur sagen: Er passt einfach perfekt.

Die Geschichte wird von der Protagonistin Vega im Präsens erzählt, was dazu führt, dass man sehr tief in ihre Gedanken- und Gefühlswelt eintauchen kann. Vega kann kaum sprechen, nicht gut lesen und noch weniger schreiben - so hat man den Eindruck, wirklich mit ihr in ihren Gedanken gefangen zu sein.

Ich habe über das Phänomen der Aphasie zuvor noch nicht viel gewusst. Die Autorin hat es geschafft, meine Aufmerksamkeit darauf zu lenken und aufzuzeigen, was es für die Betroffenen wirklich bedeutet. Das ist eine Kunst, wenn man für Leser schreibt, die sich selbst sonst vielleicht gar nicht in die Lage hineinversetzen könnten.
Wie man im Nachwort lesen kann, gab es in der Familie der Autorin tatsächlich jemanden mit Aphasie, sodass sie mit ihrem Buch beleuchten wollte, dass diese Krankheit nur die Sprache, nicht aber den Menschen dahinter zerstört.
Meine Gedanken knistern, als ob meinem Gehirn kleine Stöße versetzt würden. Als ob es versuchte, die Löcher in meiner Erinnerung zu flicken. (S. 85)
Ich persönlich bin kein Mensch der vielen Worte, aber sich überhaupt nicht mehr mitteilen zu können, wäre mir trotzdem ein Grauen. Besonders, weil Vega durch den Unfall auch nicht mehr lesen und schreiben kann, habe ich sehr mit ihr mitgelitten. Diese beiden Dinge bedeuten mir viel, und ich will mir nicht vorstellen, wie es wäre, sie zu verlieren, vergeblich nach der Bedeutung der Wörter zu fischen.

Mit seinen nicht mal 250 Seiten und dem leichten Stil, der Vega eine sehr überzeugende Erzählstimme verleiht, lässt sich das Buch sehr schnell durchlesen.
Dennoch wird nichts überstürzt; die Entwicklungen der Figuren und die Liebesgeschichte vollziehen sich langsam und schrittweise.
Es wird sehr deutlich spürbar, wie hilflos die ehemaligen Freunde im Umgang mit Vegas Krankheit sind und wie sie selbst mit ihrem Schicksal ringt und viele Dinge plötzlich mit anderen Augen sieht.
Früher ist mir das nie schwergefallen. Ich konnte über alles und nichts reden, aber wenn man drei Monate lang zuhören muss, nur zuhören, dann stellt man fest, wie viele belangslose Dinge gesagt werden. Und ich will um nichts in der Welt etwas Belangloses sagen. Schon gar nicht, wenn Theo mich fragt. (S. 180)
Der Spannungsfaktor, wer wirklich die Schuld an Vegas Unfall auf der Party trägt, ist eher Nebensache. Man ahnt die Wahrheit früh, doch ich denke, dass es auch gar nicht die Absicht der Autorin war, hieraus ein großes Geheimnis zu machen, da es den Leser auch so schon erschüttert.

Insgesamt hat das Buch meine guten Erwartungen definitiv noch übertroffen und mir sogar noch ein bisschen besser gefallen als "Schicksalstanz".

(Für wen) Lohnt es sich?


Ich würde das Buch für Jugendliche ab 14 empfehlen und allen, die, unabhängig vom Alter, gern realistische Jugendbücher mit erstem Thema und tragischschöner Story mögen. Außerdem ist es natürlich perfekt geeignet, wenn man mehr über Aphasie erfahren möchte.
 

In einem Satz:

 

Mit "Wie das Licht von einem erloschenen Stern" ist Nicole Boyle Rødtnes ein sehr authentischer und emotionaler Jugendroman gelungen, der das Krankheitsbild Aphasie überzeugend darstellt und in eine Geschichte einwebt, die ans Herz geht.

 

Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar an:



http://www.beltz.de/                                                   http://www.bloggdeinbuch.de/ 

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